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26. Februar 2014

Flughafenerweiterung: Stand der Klageverfahren und Ausblick.


Vortrag von RA Dr. Martin Schröder am Dienstag, 25. Februar 2014 in der Stadthalle Hattersheim am Main.


Motto: „Hic Rhodus, hic salter!“ – Die Voraussagen müssen sich bewähren. Land Hessen unter hohem Druck: Anwaltswechsel in letzter Minute.


Am Dienstagabend fanden sich im Anschluss an die Sitzung des Vereins lebenswertes Hattersheim e.V. viele Ausbaugegner aus Hattersheim  und den Nachbarstädten ein, um den Ausführungen des engagierten Münchner Juristen Dr. Schröder zu folgen. Die von Bürgermeisterin Antje Köster moderierte Veranstaltung wurde sehr gut besucht. Mehr als 150 Bürger fanden den Weg in die Hattersheimer Stadthalle.

 

Dr. Schröder eröffnete seinen interessanten Vortrag mit einen Paukenschlag: Derzeit laufen noch 40 VGH Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss der Nordwestbahn. Unter anderem auch die Hattersheimer und Flörsheimer Klagen. Bis zum 30.April letzten Jahres hatten die Kläger Zeit, neue Tatsachen vorzutragen, die gegen den Betrieb der Landebahn-Nordwest sprechen. Dr. Schröder hatte mit einem gewaltigen Schriftsatz u. a. zu Wirbelschleppen, Vogelschlag und Südumfliegung nachgelegt. Seit mehr als 10 Monaten hat das Land Hessen trotz Fristsetzung darauf mit völliger Sprachlosigkeit reagiert. Wie Herr Dr. Schröder erst jetzt erfahren konnte, hat das  Hessische  Wirtschaftsministerium am 13. Januar 2014 seinen bisherigen langjährigen Rechtsvertreter RA Dr. Gronefeld in München von seinem Mandat entbunden. Dies geschah völlig überraschend und ohne Angabe von Gründen in der letzten Amtswoche von Wirtschaftsminister Rentsch (!). Das beklagte Land Hessen schickt nun den fallfremden Berliner Juristen Dr. Tobias Masing  (Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs) ins erbitterte letzte Rennen um die Frankfurter Flughafenerweiterung.


Dem beklagten Land Hessen wurde bis zum Freitag, dem 28. Februar 2014 eine weitere Fristverlängerung eingeräumt, um auf den erweiterten Klagevortrag von Dr. Schröders u.a. zu erwidern. Wie sich der neue hessische Landesanwalt Dr. Masing in der kurzen Zeit in die gewaltige Materie einarbeiten will, ist völlig unklar und bleibt das Geheimnis des Landes Hessen.


Rechtsanwalt Schröder rechnet fest mit einer mündlichen Verhandlung vor dem VGH Kassel noch in diesem Herbst.


Im Nachhinein hat es sich nun als glückliche Fügung erwiesen, dass die ehemalige Flörsheimer Musterklage in 2009 zusammen mit den restlichen 240 Klagen über die Inbetriebnahme der Landebahn in 2011 hinaus ausgesetzt wurden. Seitdem im geschändeten ehemaligen Kelsterbacher Bannwald gelandet wird, haben sich sämtliche Wachstumsvoraussagen der Fraport in Luft aufgelöst; die Befürchtungen der Ausbaugegner aber haben sich voll bestätigt. Der Optimismus, den Dr. Schröder zu Recht verbreiten konnte, ist auch auf die Zuhörer übergesprungen. Dessen kämpferischer Beitrag wurde mehrfach mit langem Applaus unterbrochen. Auch Bürgermeisterin Köster dankte Dr. Schröder mehrmals für dessen langjährige und erfolgreiche Interessenvertretung der Stadt Hattersheim.


Wirbelschleppen:
Die 10 Mio. Jahre, die es dauern sollte, bis eine Wirbelschleppe ein Flörsheimer Dach abdeckt, sind laut Dr. Schröder nun doch weitaus schneller vergangen, als die Fraport-Gutachter uns glauben machen wollten.  Sollte je der erste Mensch durch einen Dachziegel verletzt oder gar getötet werden, ist die Landebahn, so Dr. Schröder, augenblicklich zu. Auch der Süden von Eddersheim ist ein Risikogebiet für Wirbelschleppengefahren.


Planfeststellung Startbahn-West (23.03.1971):
Im Planfeststellungsbeschluss zur Startbahn 18-West hieß es damals mit apodiktischen Worten, es werde nach dem Bau der 18-West keine weitere Bahn mehr errichtet. Eine solche Genehmigung würde auf keinen Fall erteilt. Zu dem Hintergrund dieser Erklärung durch Heinz-Herbert Karry sind jetzt von der Mainzer BI neue historische Belege recherchiert worden. Bekanntlich hat der VGH Kassel in den Musterklagen diese Karry-Erklärung im PFB von 1971 kurzerhand als „nicht bindend“ verworfen. Wer daran geglaubt hätte, habe einfach Pech gehabt. Dr. Schröder sieht hier aber einen spitzen juristischen Dolch gegen die Nordwestbahn geschärft: Dem Land Hessen war damals zu Recht klar (1971), dass auch mit einer Erweiterung durch die Startbahn-West der Flughafen in 15 Jahren an seine endgültigen Kapazitätsgrenzen stossen werde. Folgerichtig hat man deshalb im Jahr 1971 unter Hochdruck Sondierungen nach einem zweiten Flughafenstandort in Hessen aufgenommen. 1)  Die Planfeststellung der Startbahn-West war deshalb ein Eingeständnis dessn, dass der Frankfurter Flughafen am alten Standort an endgültige Grenzen gestossen ist. Parallel dazu liefen die Planungen für “Frankfurt II“ auf Hochtouren.


Die Suche nach einen zweiten Frankfurter Flughafenstandort in 60 Km Entfernung und der erklärte glasklare Verzicht auf einen weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens nach der Startbahn-West standen und stehen in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang. Nun ist nicht bekannt, zu welchem Ergebnis die amtlichen Planungen eines zweiten Standortes führten und aus welchem Grund sie letztlich gestoppt wurden. Das Land Hessen hält alle Akten darüber streng unter Verschluss, wenn sie denn noch existieren. So einfach wird es also für das Land Hessen nicht, die Bürger ein weiteres Mal zu belügen. Dieser Vorgang muss vor Gericht aufgearbeitet werden. Alle Akten müssen auf den Tisch. Es gibt hier eine vierzig Jahre zurückliegende Wahrheit, die bis in die Gegenwart wirkt.  


Flaschenhals Südumfliegung:
Die bei Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) geflogene Südumfliegungsroute  über Nauheim, Trebur wurde von VGH Kassel im September für rechtswidrig erklärt. Mit dieser Routenführung läßt sich die durch den Ausbau angestrebte Kapazität von 126 Flugbewegungen/Std. nicht erreichen. Mehr als 98 Flugbewegungen pro Stunde sind mit dem derzeitigen Bahnensystem seit dem 21.10.2011 nicht abzuwickeln. Die wichtigste Prämisse und Voraussetzung für den Ausbau hat sich damit in Luft aufgelöst. Der Frankfurter Teilnehmer Christopher Koch (BI Stop-Fluglaerm.de e. V) weist in einem Redebeitrag darauf hin, dass die 126 Flugbewegungen die „Conditio sine qua non“ seien, also die wichtigste Grundbedingung zur Rechtfertigung und Abwägung des Flughafenausbaus. Das von Fraport für den Ausbau eingesetzte Millardenkapital rechnet sich nicht.  Aufgrund der unlösbaren Sicherheitsproblematik der Südumfliegung2) (Kreuzung mit Durchstartern auf 25L und Startern auf 18-West) wird die Südumfliegung von den Fluglosten regelrecht gehasst, so Dr. Schröder.3) Die in dem erwähnten BFU-Untersuchungsbericht angemahnten Sicherheitsprobleme sind laut Fluglotsengewerkschaft bis heute nicht einmal ansatzweise behoben.


Wertminderung für Grundstücke:
Seit Beginn der Planungen für die Landebahn Nordwest im August 2000 und erst recht nach der Inbetriebnahme in 2011 sind die durch Flugzeugemissionen betroffenen Grundstücke in- und ausserhalb der CASA-Zonen stark im Wert gefallen. Allein in Eddersheim sank der amtliche Bodenrichtwert von 2000 bis 2011 um 20 Prozent, während er in anderen Kommunen des Main-Taunus-Kreises sogar angestiegen ist. Seit Inbetriebnahme der Bahn vollzieht sich durch den massiven Wertverfall der Grundstücke auch eine soziale Umschichtung in der Bevölkerungsstruktur in den vom Fluglärm hochbelasteten und verschuldeten Anrainerkommunen.  Dr. Schröder betont, dass im Frankfurter Flughafenverfahren der milliardenschwere Vermögensschaden der Immobilienbesitzer bei der Abwägungsentscheidung für den Ausbau keine Rolle spielte. Dies ist ein folgenreicher Abwägungsfehler, der auch der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs widerspricht (EuGH). „Die Flanke Werminderung“ so wörtlich, „ist im Frankfurter Verfahren weit offen“.

 

Schlusswort: In seinem Schlusswort betonte Dr. Schröder, dass die anhängigen Klagen für Fraport weiterhin eine jahrelange Rechtsunsicherheit bedeuten. Der Flughafenausbau ist von Fraport bewusst „ins Risiko hinein gebaut“. Selbst Minister Rentsch ging noch im letzten Jahr davon aus, dass der Flughafenausbau nach § 78 VwVfG nicht fertiggestellt sei. Mit dem Druck der laufenden Klagen  ist laut Dr.Schröder noch immer die Tür offen für politische Einflussnahmen und jederzeitige Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses zugunsten der Anwohner und Kläger. „Hic Rhodus, hic salter!“ – Die Voraussagen der Fraport haben sich nicht bewährt. Aber weltfremde und listige Verwaltungsrichter meinen ja, fehlerhafte Prognosen seien für eine Planungsentscheidung bedeutungslos. BfU Sprecher Wolf: „Dem Luftverkehrsklüngel wird erlaubt, folgenlos und ins Blaue hinein zu spekulieren. Die Bürger soll es klaglos ertragen.“

 

 

1)  Offenbach-Post vom 02.04.1971 „Zweiter Flughafen in Planung“, ebenso FAZ und FR 


2) Schwere Störung vom 13.12.2011 siehe http://www.bfu-web.de/DE/Aktuelles/Nachrichten/Meldungen/Aeltere-Meldungen/121218_Pressemitteilung_5X013-11_A380A320_FRA.html


3) Zeitschrift der Fluglostengewerkschaft GdF „Der Flugleiter“ 2014/01 S. 46


Zum anzeigen der Pressemitteilung als PDF, bitte >hier klicken<

Zum anzeigen der Präsentation von Hr. RA Dr. Martin Schröder, bitte >hier klicken<

 

Die BfU-Eddersheim dankt dem Verein Lebenswertes Hattersheim, der Stadt Hattersheim und vor allem Dr. Martin Schröder für die Bereitstellung der verwendeten Schriftstücke.