Per Einschreiben mit Rückschein
Hessisches Ministerium für Wirtschaft,
Verkehr und Landesentwicklung
z. Hd. Herrn Minister Florian Rentsch
Kaiser-Friedrich-Ring 75
65185 Wiesbaden
Verteiler:
Presse, BBI, Magistrat, Wahlkreisabgeordnete
Offener Brief
den 11. Juni 2013
Lufthansa: Geplante vorsätzliche Lärmsteigerung durch Änderung des Startverfahrens bringt das Fass endgültig zum Überlauf
Sehr geehrter Herr Minister Rentsch,
mit Abscheu und Empörung protestieren wir auf das Schärfste gegen die obszöne Androhung des Lufthansa-Konzerns, eigenmächtig und unter der stillschweigenden Duldung Ihres Hauses endgültig der Region den Garaus machen zu wollen. Schlimm und verwerflich sind die Motive, die Lufthansa zur Begründung vorgibt. Es sind vermeintliche Kostengründe einer Treibstoff- ersparnis – die als Begründung für diese mitleidlose Erhöhung vermeidbaren Fluglärms angegeben wird.
„Daueraufgabe Fluglärm – Über 30 Maßnahmen umgesetzt. Die hessische Landesregierung betrachtet die Minimierung des Fluglärms als Daueraufgabe von höchster Priorität.“
Mit dieser Schlagzeile bemühen Sie auf Ihrer Internetpräsenz ein Image, gerade auch durch die Betätigung „kleinster Stellschrauben“, die Qualen der dem Fluglärm des Frankfurter Flughafens unmittelbar ausgesetzten Bürger begrenzen zu wollen. Doch das Gegenteil trifft zu. Ständig erhöhen Fraport, Lufthansa und auch die hessische Regierung durch maßlose Expansion den Leidensdruck auf die Flughafenanwohner aus Eddersheim , Flörsheim, dem Süden Frankfurts, Neu-Isenburgs, Wicker, Nauheim, Büttelborn und vielen anderen Orten der Rhein-Main-Region und Rheinhessens.
Auf der einen Seite suggeriert Ihr Haus ständig dem hessischen Bürger behauptete Erfolge und geplante Maßnahmen im Fluglärmschutz, eine „Allianz für Lärmschutz“. Sie verweisen auf Bruchteile von Dezibeln, welche Sie sich mühsam mit kleinsten Stellschrauben erkämpft hätten. Auf der anderen Seite schickt sich ein tölpelhaftes und arrogantes Luftfahrtunternehmen an, sämtliche diesbezüglichen Minimalerfolge von Jahren durch eine Politik der Habgier und des Größenwahns aufzuzehren! Die Sonntagsreden um Fluglärmreduzierung stehen in auffälligem Gegensatz zu der täglichen Lärmrealität und den Entscheidungen in den Vorstandsetagen. Das ist eine Politik der „Echternacher Springprozession“: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück!
Was hat man in diesem Lande nicht schon alles für das Partikularinteresse der Fraport & Lufthansa-Aktionäre geopfert und gebaut. Sie haben sich eine Landebahn im unersetzlichen Kelsterbacher Mönchwald erzwungen, sie haben eine A380-Wartungshalle im Eilverfahren durchgesetzt, ebenfalls errichtet in kostbaren FFH-Bannwäldern. Aber Genug ist für die Herren leider nicht genug. Was uns von Lufthansa droht, ist eine nach deren Worten „moderate Lärmerhöhung“ in Eddersheim, Raunheim und Nauheim. Es muss endlich Schluss sein mit diesem endlosen und selbstherrlichen Raubrittertum auf Kosten Dritter. Scheibchenweise werden wir bestohlen und geradezu vergewaltigt.
Es gibt kein Sonderrecht eines Privatunternehmens Lufthansa, der hochbelasteten Region eine weitere Lärmerhöhung als „moderat“ und zumutbar ausserhalb demokratischer Kontrollen aufzubürden.
Einem Ertrinkenden schüttet man kein zusätzliches Wasser über den Kopf, auch wenn es nur ein kleiner Eimer ist.
Als Planfeststellungsbehörde und Genehmigungsbehörde sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich Lufthansa mit dem Lautstartverfahren anschickt, sämtliche Lärmprognosen der aktuellen Verfahren hinfällig werden zu lassen. Lärmkarten und Entschädigungsgebiete wären zu überarbeiten und zu vergrößern. Die Lufthansa versucht mit dieser Maßnahme des Flachstarts marktwirtschafts-widrig und gesetzeswidrig auf dem Rücken Dritter Kosten zu sparen, um eigene Gewinne zu erhöhen, und um die Ticketpreise ihrer Klientel zu stützen.
„Verstöße gegen die Marktwirtschaft sind im Luftverkehr durch die sogenannten externen Effekten zu beobachten. Externe Effekte liegen vor,wenn von einem Wirtschaftssubjekt Einflüsse auf andere Wirtschaftssubjekte ausgehen, ohne dass dies über den Preis oder eine andere Kompensationszahlung abgegolten wird. Marktwirtschaften leben davon, dass Anbieter und Nachfrager Verträge frei miteinander aushandeln. Das bringt die großen Vorteile des freien Marktes mit sich. Aber dabei dürfen keine Dritte geschädigt werden, das ist die Bedingung. Wenn man nämlich mit seinen Verträgen Dritte schädigen dürfte, ergäben sich unhaltbare Konsequenzen. Jeder würde natürlich versuchen, Verträge auf Kosten von Dritten abzuschließen und selbst die Vorteile einzuheimsen. Der Luftverkehr bringt erhebliche externe Effekte mit sich, insbesondere beim Faktor Lärm.“ (Zitat Prof. Friedrich Thießen)(1)
Diese Maßnahme bedeutet für uns Eddersheimer Bürger als unmittelbar vom Nordwestabflug betroffene Anwohner des FRA-Flughafens eine massive Gefährdung unserer Gesundheit und Sicherheit (Vogelschlag!) und eine nochmals drastische Verschlechterung der ohnehin angespannten Lebensverhältnisse. Wir fordern Sie als Genehmigungsbehörde dringend auf, unsere Grundrechte zu schützen und den vorgesehenen Maßnahmen der Lufthansa eine klare Abfuhr zu erteilen. Es steht eine unkontrollierbare Eskalation im Lärmstreit bevor.
Wir unterstützen an dieser Stelle ausdrücklich die öffentlichen Appelle von Dr. Berthold Fuld (BBI-Bündnis) vom 10. Juni 2013 (2), sowie den Hilferuf des Nauheimer Bürgermeisters Jan Fischer vom 07. Juni 2013 (3), der das Verfahren, wie mit dem Flachstartverfahren umgegangen wird, zu Recht als unverhältnismäßig und geschmacklos bezeichnet, sowie den offenen Brief von Dr. Horst Bröhl-Kerner (BI-Raunheim) an Ministerpräsident Bouffier vom 24. Mai 2013 (4) Insbesondere nach den Recherchen der BI Raunheim haben die Luftfahrtbehörden die von Lufthansa behaupteten behördlichen Genehmigungen nie erteilt. Die Einführung des lauten Flachstartverfahrens wurde in Frankfurt von der LH auch bereits zum zweiten Mal verschoben (01.Feb. 2013, 01.Juni 2013).
Wir haben nicht vergessen, dass die Lufthansa seit dem Jahre 2008 von Fraport einen zweistelligen Millionenbetrag aus dem „passiven Schallschutzprogramm“ 2001-2006 eingestrichen hat. Diese insgesamt 33 Mio. Euro(5) sind den Lärmbetroffenen in Eddersheim und anderswo als passiver Schallschutz vorenthalten worden. Die Sonderprofite, welche die Lufthansa unter anderem auch auf Kosten der Eddersheimer Bürger machte, gehen also in die Millionen. Eine erneute Lärmerhöhung, um auf Kosten des Lärmschutzes der ungeschützten Flughafenanrainer erneut Kasse zu machen, ist geradezu eine kafkaeske Tragödie.
Seit der Eröffnung der Landebahn Nordwest wird die laut DFS gefährliche Südumgehungsroute geflogen, und dabei tausende Tonnen Kerosion verschwendet. Die Lufthansa verzichtet ferner nach der BfU vorliegenden Dokumenten auf eine Mivotherm-Warnung ihrer Piloten vor herannahenden Vogelschwärmen bestimmter Größen. Welche Kosten und welcher Imageverlust erwartet die Lufthansa bei einer Kollision oder einem Absturz am Heimatstandort? Die Lufthansa hat den Bogen schon lange überspannt. Aus der Beinahekollission einer LH-A380 (LH-711) vom 13. Dezember 2011 sind immer noch keine Konsequenzen gezogen worden.(6)
Wollen Sie oder die Sie tragende politische Partei ein solches Verhalten etwa gutheißen? Wir appellieren an Sie, gemäß Ihrem Amtseid Schaden vom Volk zu wenden! Sollte sich die Lufthansa mit diesem Schurkenstück durchsetzen, ist die „Büchse der Pandora“ geöffnet! Der Konflikt wird nach allen Seiten eskalieren.
Aufgrund der nicht von uns zu vertretenden Eilbedürftigkeit und der außerordentlichen Brisanz dieser Angelegenheit sehen wir einer kurzfristigen Reaktion und einem massiven Einschreiten Ihres Hauses entgegen.
Quellenangabe:
(1) Rede Prof. Thießen vom 03.06.2013 auf der Montagsemonstration im Terminal1: http://www.flughafen-bi.de/Archiv/2013/2013_06_03_friedrich_thiessen_terminal.htm
(2) http://www.flughafen-bi.de/Archiv/2013/2013_06_10_berthold_fuld_terminal.pdf
(3) http://www.echo-online.de/region/gross-gerau/nauheim/-Einfach-unzumutbar;art1257,4005305
(4) http://www.bi-fluglaerm-raunheim.de/aktuell/OffenerBrief_Bouffier_Start.pdf
(5) Schreiben Dr. Stefan Schulte (Fraport) an BfU Eddersheim vom 12.09.2012
(6) Bundesstelle f. Flugunfall Az.: BFU 5X013-11 http://www.bfu-web.de/DE/Publikationen/Untersuchungsberichte/2011/Bericht_11_5X013_A380A320_FRA.pdf?__blob=publicationFile
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