24. Oktober 2011
PRESSEMITTEILUNG
Einmarsch der Fraport in Eddersheim
Samstagabend, 22. Oktober 2011: Der Tag 1 nach der Inbetriebnahme der
„Landebahn“.
Von Frank Wolf
„Die landen schon rund um die Uhr auf der neuen Bahn“. Der Tag, vor dem wir seit 11
Jahren warnen, vor dem wir uns fürchteten, gegen den wir mit allen Mitteln kämpften,
anschrieben, demonstrierten - ist da. Man hat die Bestie freigelassen. Landescheinwerfer über
der Hochheimer Strasse, beinahe im Minutentakt - die Lichtkegel berühren den Boden. Mit
atemloser Hetze folgt Flugzeug auf Flugzeug. Ein nie gehörtes Röhren und Zischen der
Maschinen, welche die Spitzen der Pappeln am Mainufer fast berühren. Am RSG Reiterhof ist
jetzt Todeszone, Niemandsland - die auf unsere Gemarkung verlängerte Landebahn. Du
schaust hoch, 80 Meter über dir – bedrohlich und zum Greifen nah die Räder eines
Düsenflugzeuges. Jeder Vogel, jeder Baum und jeder Luftballon stellt jetzt eine Gefahr für die
dar. Fraport dringt ein in unsren persönlichsten Lebensraum. Es stinkt verbrannt, nach
Kerosinabgasen. Mir kommen die manipulierten Luftschadstoffgutachten der Fraport mit den
fehlenden 2.534 Jahrestonnen krebserregender Luftschadstoffe wieder in den Sinn. In der
Flörsheimer Strasse bis zum Ortsausgang in Richtung Okriftel dann das infernalische Brüllen
und Donnern der Triebwerke, die gegen uns gerichtet sind, beim Überfahren der
Flugzeugbrücken. Ein Bodenlärm, pausenlos, in einer Brutalität wie ich es nicht erwartet
habe. Ein Lärm, der Mauern durchdringt und Bauwerke erschüttert, wie die Posaunen von
Jericho. Ein Lärm, vor dem uns kein Gesetz schützt, geschweige denn ein Wald oder eine
Lärmschutzwand. Man spürt, da sind Grenzen überschritten worden. Grenzen des
Erträglichen, Grenzen des Verkraftbaren, Grenzen des Rechts, Grenzen der Biologie und der
Physik. Eine Perversion des Wachstums und der Technik. Hier wurden über Nacht nochmals
Werte vernichtet, die in Generationen erschaffen wurden. Zerstörter Lebensraum, zerstörte
Hoffnung, einer Bombardierung gleich. Die Menschen ziehen sich in Ihre Häuser zurück;
verwirrt, verletzt, mit hilfloser Wut. Hätte man sich mehr gewehrt, wenn man das gewusst
hätte? 900 Einwendungen hat es gegeben, nicht gerade viel bei 5000 Einwohnern. Die
Chancen zweier Landtagswahlen blieben ungenutzt, um unsere Peiniger in die Schranken zu
weisen.
Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich treffe Mitbürger, entsetzte Gesichter, mit der Frage, ob
das jetzt immer so bleibt. Ich habe das Gefühl, die haben uns den Himmel gestohlen, der
Himmel gehört jetzt schon in 100 Metern Höhe der Fraport. Wir am Boden spielen keine
Rolle! Man hat das Gefühl, auf einem riesigen Flugzeugträger zu sein, ständig wird neben und
über dir gelandet und gestartet. Ein Luftkrieg gegen uns Anwohner, gegen das Leben an sich.
Ich denke an Roland Koch mit seiner jüngsten Aussage, dass sei eben die „pulsierende
Herzkammer“ Deutschlands. Mir fällt dazu eher ein anderes Körperteil ein: Weiter unten und
weiter hinten. Oder die OBer-Zynikerin Petra Roth mit den Worten, jeder habe das
„demokratische Recht wegzuziehen“. Dürfen wir wenigstens noch auf ein schäbiges
Nachtflugverbot hoffen? Verbrieft und verbürgt seit 11 Jahren? Wenige Stunden
fluglärmfreier Schlaf als Preis für den verhinderten Bürgerkrieg um die Landebahn Nordwest?
Eine Kanzlerin, welche sich in kindlicher Naivität von der Luftfahrtbranche
instrumentalisieren ließ, die das Machwerk auch noch „weiht“ und in einer beispiellosen
geistigen Fehlleistung die gescheiterte Mediation als beispielhaft für Deutschland lobt ? Eine
Mediation, als deren zentraler Deal Ausbau nur gegen Nachtruhe galt? Wenn ein
Nachtflugverbot nicht möglich ist, was ja nun behauptet wird, dann muss die Landebahn weg
- zurückgebaut werden. Freuen kann sich eine schadenfrohe schwarzgelbe Kamarilla im
hessischen Landtag und anderswo, die der Luftfahrtbranche in hündischer Ergebenheit jeden
Profitwunsch erfüllt hat. Es ist noch nicht gelungen, diesen willfährigen Vollstreckern des
Größenwahns in den Arm zu fallen. Der Mensch lernt nur aus Katastrophen wie Fukushima.
Am Flughafen Frankfurt wird „Zukunft“ gestaltet. Zukunft, dass heißt vor allem 2020, das
Jahr, bis zu dem man sich 80 Millionen Fluggäste erhofft. 2020 ist aber auch gleichzeitig das
Schicksalsjahr für die Erderwärmung und das globale Klima. Vergessen ist der IPCC
Prognose vom Februar 2007, nach der uns nur noch bis 2020 Zeit bliebe, eine minimale
Zeitspanne also, um das Kippen des globalen Klimasystems aufzuhalten. Kanzlerin Merkel
kennt diesen Zusammenhang. Weiß sie denn nicht, dass die Erweiterung des Flughafens
Frankfurt zwei Mio. Jahrestonnen CO2 zur Erderwärmung besteuert?
Luftfahrt, Luftfahrt über alles, über alles in der Welt?
Frank Wolf
Bürgerinitiative für Umweltschutz
Eddersheim am Main
24. Oktober 2011